Nachhaltigkeitsrallye

Alteburg-Schule (Biebergemünd) im Paradieschen

„Ich finde es voll cool hier. Nicht so groß und schön gemütlich“, schwärmt Luis. Der Schüler ist einer von 27 Fünftklässlern der Alteburg-Schule in Biebergemünd, die heute mit ihren Lehrern Anne Scheidler und Jan Rüffer im Paradieschen zu Gast sind. Die Schüler des Wahlfachs MINT (eine Kombination der Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) haben bei ihrem Besuch eine besondere Mission: Bei einer Rallye durch den Markt erforschen sie, wie nachhaltig das Angebot in dem Bio-Markt ist.

Dass die Schüler heute in der Praxis erkunden können, wie nachhaltiges Einkaufen funktioniert, ist dem Bildungsprojekt „Nachhaltigkeit im Einzelhandel“ zu verdanken, das vom Netzwerk „Nachhaltig vernetzt Hanau und Region“, der Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern und fünf engagierten Lebensmittel-Einzelhändlern aus dem Main-Kinzig-Kreis initiiert wurde. Mit dabei auch das Paradieschen mit seinem Bio-Lieferservice und Bio-Markt in Linsengericht. „Ziel des Projektes ist es, Bildung zur nachhaltigen Entwicklung für Kinder und Jugendliche aber auch für Erwachsene in der Praxis erfahrbar zu machen. Zugleich soll dabei die öffentliche Aufmerksamkeit verstärkt auf das nachhaltige Engagement der Lebensmittel-Einzelhändler gelenkt werden“, erklärt Simone Becker vom Umweltzentrum Hanau, das für die Koordination des Nachhaltigen Netzwerkes Hanau und Region und auch des Pilotprojekts verantwortlich zeichnet. Becker ist innerhalb des Netzwerks, in dem sich Akteure aus Vereinen, Organisationen, Schulen und Unternehmen für die Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft engagieren, für die Koordination der Umweltschulen zuständig und steht heute den Schülern bei ihrer Rallye mit Rat und Tat zur Seite.

Von bio, saisonal, regional und fair gehandelt über Müllvermeidung und Ressourcenschonung bis hin zum sozialen Engagement als Arbeitgeber, in der Region und der Gesellschaft reichen die Kriterien, die es für die 27 Alteburg-Schüler bei ihrem Besuch im Paradieschen unter die Lupe zu nehmen gilt. Als Arbeitsgrundlage dient ihnen dabei eine vom Umweltzentrum Hanau erstellte Nachhaltigkeits-Checkliste. Ein besonderes Augenmerk der jungen Nachhaltigkeitsforscher liegt dabei auf den Verpackungen, denn mit der Problematik von Plastik als Verpackungsmaterial beschäftigen sich die Schüler derzeit intensiv während ihres MINT-Unterrichts. Umso erfreulicher ist für sie das, was sie beim Gang durchs Paradieschen sehen: Obst und Gemüse kommen völlig unverpackt daher, für die Kunden werden Papiertüten oder wiederverwendbare Netze für den Transport angeboten. An der Frischtheke können Wurst und Käse in von den Kunden mitgebrachte Behältnisse gefüllt werden und auch in den Regalen finden sich weit mehr umweltfreundliche Verpackungen aus Glas und Papier als aus Plastik.

Doch so ganz auf Plastik als Verpackungsmaterial verzichten, kann man selbst im Paradieschen nicht, auch wenn Paradieschen-Geschäftsführer Mario Blandamura das am liebsten würde, wie er den Schülern nach deren Rundgang durch den Markt erklärt. Viel Zeit nimmt sich Blandamura, um den jungen Nachhaltigkeitsforschern  alle jene Fragen, die bei ihrer Rallye noch offen geblieben sind, zu beantworten.

Dass Türen an allen Kühlgeräten das unnötige Entweichen von Energie verhindern, haben die Schüler bei ihrer Markterkundung bereits selbst festgestellt. Dass für die Kühlung zudem auch umweltfreundliche Kaltsole verwendet wird und der Strom für Kühlung, Beleuchtung und auch die Tankstelle für E-Autos auf dem Kundenparkplatz größtenteils von der Photovoltaikanlage auf dem Paradieschen-Dach erzeugt wird, erfahren sie im anschließenden Gespräch mit Blandamura.

Quasi auf einem Silbertablett serviert ihnen der Geschäftsführer die Antwort auf ihre Frage, was denn mit Lebensmitteln geschieht, die wegen kleiner Macken auf dem Verkauf genommen werden müssen? Diese werden im Paradieschen nämlich entweder im an den Markt angegliederten Bio-Bistro verarbeitet oder die Mitarbeiter dürfen sich die Ware 2. Wahl mit nach Hause nehmen, erklärt Blandamura. Und dass kleine Schönheitsfehler dem Geschmack keinen Abbruch tun, davon können sich die Schüler anhand der Kostproben von dem mit Obst beladenen Serviertablett, mit denen sie Blandamura soeben überrascht hat, gleich selbst überzeugen.

Frisch gestärkt kann man so auch noch einmal das Problem mit dem Plastikmüll angehen. Zur Veranschaulichung dürfen die Schüler dabei einen Blick hinter die Kulissen in die Lagerräume und sogar in die Müllcontainer werfen.  Mit  wiederverwertbaren Pfandboxen statt Einmalverpackungen und sorgfältiger Mülltrennung fürs spätere Recycling lasse sich schon viel zur Plastikmüllvermeidung tun, erläutert Blandamura dabei den Schülern. Und auch auf das für den Transport gern praktizierte Einwickeln von Rollwagen in Folie zur Sicherung der darauf gestapelten Kisten werde im Paradieschen weitestgehend verzichtet. Mit beeindruckendem Ergebnis. „Würde man aus der so alleine bei uns in einem Jahr eingesparten Folie Verpackungen für Spaghetti machen, dann kämen dabei so viele Spaghettipackungen heraus, dass man diese dreimal um die Weltkugel legen könnte“, erklärt der Geschäftsführer den staunenden Nachhaltigkeitsforschern.

Trotz aller Bemühungen sei aber bei manchen Lebensmitteln noch keine Alternative zu Plastikverpackungen in Sicht, bedauert Blandamura. Weshalb auch Bio-Plastik, das innerhalb kurzer Zeit zerfällt und aus dem auch zahlreiche Verpackungen in den Paradieschen-Regalen bestehen, keine völlig zufriedenstellende Lösung darstellt, leuchtet den Schülern sogleich ein, als Blandamura schildert, dass die Stärke für die Herstellung häufig aus Kartoffeln oder Mais gewonnen werde. „Aber das sind doch Lebensmittel, das geht nicht“, spricht es einer der Schüler aus.

So haben die Schüler nach ihrem zweistündigen Besuch zwar immer noch keine Patentlösung für das Plastikproblem, mit dem sie sich derzeit in der Schule so intensiv beschäftigen, gefunden. Dafür haben sie aber viele neue Eindrücke und Informationen für ihr künftiges Engagement als Nachhaltigkeitsforscher und Plastikmüllvermeider sammeln können.

Und so gehen beim abschließenden Gruppenfoto-Shooting auf die Frage, wie es ihnen denn gefallen hat, einhellig alle Daumen in die Höhe. Auch für Luis‘ Mitschüler war der Besuch im Paradieschen wohl eine Erfahrung, die ihnen nachhaltig in Erinnerung bleiben wird.

Schulen aus dem Main-Kinzig-Kreis, die sich für eine Teilnahme an dem Pilotprojekt „Nachhaltigkeit im Einzelhandel“ interessieren und mit Klassen oder Gruppen einen Markt besuchen wollen, können sich per E-Mail: umweltzentrum@hanau.de oder telefonisch unter 06181/3049148 an das Umweltzentrum Hanau wenden.

Mit einer Check-Liste machten sich die Fünftklässler der Altenburg-Schule auf Nachhaltigkeitsrallye. Neben der Frage nach der Einsparung von Verpackungsmüll ging es dabei in der Obst- und Gemüseabteilung auch um die Suche nach saisonaler und regionaler Ware.

 

Nur optisch 2. Wahl: Wegen kleiner Macken aus dem Verkauf genommenes Obst und Gemüse wird im Paradieschen im angegliederten Bistro verarbeitet oder darf von den Mitarbeitern mit nach Hause genommen werden. Dass auch Obst mit kleinen Schönheitsfehlern lecker schmeckt, davon konnten sich die Schüler der Altenburg-Schule selbst überzeugen.